«Z» wie «zu blöd»?

Das «Z» wird mit dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine zum pro-russichen Propaganda-Symbol. Welche grundlegenden Kommunikationsfragen sich daraus stellen.

Einfach sollte es sein, mein Firmenlogo. Ein wenig auffällig. Aber nicht zu sehr. Am besten was mit meinem Namen zu tun haben. Einprägsame Grafik. Und was mit Buchstaben zu tun haben. Schliesslich schreibe ich in erster Linie. Es war in den Jahren 2017 und 2018, als ich mich mit diese Fragen gestellt habe – und dann zusammen mit einem Kollegen, der grafisch etwas vifer ist als ich, entschieden: Ein schlichtes «Z» soll es sein. Taugt Social Media und überhaupt online, tragt im richtigen Schriftbild gut auf, und lässt Spielereien mit oder ohne Firmennamen und Tätigkeitsfeld zu. Dass mein «Z» irgendwann zu einem Symbol russischer (oder sonstwelcher) Kriegstreiberei werden würde, das kam uns damals schlicht nicht in den Sinn. Wie auch – hier in der heilen Welt Mitteleuropas, beziehungsweise der noch heileren Welt im Heidiland am Rand der Alpen.

Plötzlich war das «Z» zunächst auf allerlei russischem Kriegsgerät in der Ukraine zu sehen. Und schon bald wurde es auf allen möglichen Kanälen für pro-russische Kriegspropaganda genutzt.

Bald machten erste Meldungen die Runde, wonach das zeigen des «Z» in Zusammenhang mit dem russischen Angriff auf die Ukraine, in Deutschland unter Strafe steht. Wenig später erklärte die Zurich-Versicherung, die mit dem weissen «Z» auf blauem Grund: «Wir entfernen vorübergehend die Verwendung des Buchstabens 'Z' aus den sozialen Kanälen, wo er isoliert erscheint und falsch interpretiert werden könnte.»

Spätestens da stellte ich mir ernsthaft die Frage: Bestelle ich mich für die anstehende Sommersaison ein neues Cap mit meinem Firmenlogo drauf – oder warte ich gerade noch  zu? Die Wollmütze mit «Z» verschwindet wohl für die nächsten Monate eh im Schrank. Und wenn ich meine personalisierte Mund-Nasen-Maske freiwillig noch trage, falle ich alleine dadurch machen Zeitgenossen derart negativ auf, dass sie das aufgedruckte «Z» kaum mehr triggern dürfte. Aber der schwarze Hut mit weissem «Z» aufgestickt könnte definitiv falsch interpretiert werden. Also fragte ich eine Handvoll Marken-Profis aus meinem persönlichen Umfeld nach ihrer Einschätzung – und musste feststellen: Auch den meisten von ihnen ist dieses Eisen derzeit scheinbar zu heiss, um es anzufassen. Nur gerade Eileen Plüss schrieb mir zurück, von allen anderen habe ich nix gehört.

 

Ihre Meinung: «Augen zu und durch», schreibt sie kurz und bündig, um dann anzufügen: «Das Corona-Bier hat auch nicht eingestampft und sein Label geändert.» Allerdings kann auch Eileen meine Fragestellung nachvollziehen. «Sehr unschön», stellt sie fest. «Eine direkte Assoziierung wäre jedoch ‹drigschosse›.»

 

Auch wenn ich ihre Haltung teile und dankbar bin, dass ein Profi das ganze ähnlich einschätzt, wie ich als Laie bezüglich Gestaltung eines Marken-Auftritts, lässt mich die aktuelle Situation zunehmend fragend zurück. Denn das Beispiel dieser beispiellosen Aggression führt uns einmal mehr eindrücklich vor Augen, wie weltumspannende Kriege oder Krisen, die auf den ersten Blick weit weit weg von unserer alltäglichen Lebenswelt scheinen, plötzlich einen sehr konkreten Impact auf unser Wesen und Wirken haben können. Und da wollen wir jetzt noch gar nicht von bröckelnden Lieferketten oder steigenden Preisen sprechen.

Aber letztlich landen wir bei einer Fragestellung, welche eine Grundlage jeder Kommunikation darstellt: Wie gehe ich damit um, wenn äussere Einflüsse das Bild meiner Firma, meines Events oder meines ganz allgemeinen Wirkens verändern, ohne dass die Substanz an sich auch nur ein kleinstes Bisschen gewandelt hätte? Diese Frage darf selbstverständlich aus einer positiven wie aus einer negativen Perspektive betrachtet werden. Wirkt meine Dienstleistung im Zuge technischer Innovation plötzlich oldschool – oder besinnt sich eine Gesellschaft zurück auf Werte, die bei mir sowieso seit eh und je gross geschrieben werden?

Worauf ich hinaus will: Kommunikation – medial, wie im optischen und inhaltlichen Auftritt – darf nie still stehen. Sie muss so gestaltet sein, dass sie ständigem Hinterfragen stand hält. Das heisst nicht, dass beim kleinsten gesellschaftspolitischen Windhauch gleich alles auf den Kopf gestellt werden muss. Aber wer sich und seine Kommunikation immer wieder neu hinterfragt, kann den kritischen Fragen, welche dieser Windhauch einem entgegentragen kann, fundiert und sicher Antwort geben.  In meinem Fall: Nein, ich hege nicht die leiseste Sympathie für die russische Invasion in der Ukraine. Das «Z» steht für Zysset, und zwar seit Generationen. Und damit für eine Familie, die aller Wahrscheinlichkeit nach einst in der Schweiz sesshaft werden durfte, nachdem sie vor der despotischen Hugenotten-Verfolgung aus dem Süden Frankreichs fliehen musste.

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Kommentare: 2
  • #1

    Michel Stucki (Dienstag, 05 April 2022 17:51)

    Lieber Marco
    Es ist halt so, dass auch eine Marke nicht nur von innen eine Wirkung erzielt sondern auch durch die Sichtweise und die Referenzpunkte definiert oder wahrgenommen wird. Nun nutzt man das ja oft um sich in einem besseren Licht erscheinen zu lassen.
    Aber was nun in Deinem Fall mit dem Krieg in der Ukraine geschieht, ist natürlich sehr unschön. Aber ich Teile die Meinung "Augen zu und durch" zumindest so lange wir nicht stärker betroffen sind.
    Liebe Grüsse Michel

  • #2

    Zyssetli (Samstag, 09 April 2022 12:58)

    Danke Michel für Deinen Kommentar. Was du beschreibst - dass die Wirkung einer Marke immer auch von äusseren Einflüssen abhängt, die nicht immer steuerbar sind - ist zweifellos war. Manchmal zwar zu vielen zu wenig bewusst. Aber ganz sicher wahr. Und vielleicht hilft wirklich auch einfach etwas Gelassenheit beim Blick auf sich selbst. Auf Probleme, die sehr relativ werden können, wenn man den Blick auf andere richtet.