Warum ein Inserat kein Zeitungsbericht ist

Wer auf einer Zeitungsredaktion arbeitet, stellt immer wieder fest, dass viele Leute den Unterschied zwischen einem Inserat und einem Zeitungsbericht nicht kennen. Höchste Zeit, ihn zu erklären.

«Guten Tag. Ich würde gerne ein Inserat für die Zeitung melden.» Nicht nur auf der Redaktion des Thuner Tagblatt, wo ich seit viele Jahren arbeite, dürfte dieses Anliegen fast täglich deponiert werden. Höchste Zeit also, hier mal die Unterschiede zwischen einem Inserat und einem Zeitungsartikel aufzudröseln:

Beispiele von Inseraten (gelb), Publireportagen (orange) und redaktionellem Inhalt (rot).

Fangen wir beim einfachen Teil an: Ein Inserat ist eine gekaufte Werbefläche. Eigentlich ein Flyer oder ein Plakat, das in der Zeitung (oder online) publiziert wird. Die Kundschaft kauft eine bestimmte Fläche und kann für einen bestimmten Zeitraum (oder in einer bestimmten Ausgabe) mehr oder weniger frei über den Inhalt dieser Fläche bestimmen. Was inhaltlich erlaubt ist und was nicht in verschiedenen Gesetzen geregelt, allenfalls gibt es in gewissen Verlagen zusätzliche Einschränkungen. Der Preis hängt von der Reichweite des Mediums, von der Grösse der gebuchten Fläche, von der Platzierung und der Erscheinungs-Häufigkeit des Inserates ab. Neudeutsch – vor allem bei Online-Kanälen – ist auch von «Ads» die Rede. Was nichts anders ist, als die Abkürzung von «Advertisment», dem englischen Begriff für «Anzeige» oder eben Inserat.

 

Heute macht die Werbefläche in einer gedruckten Tageszeitung rund die Hälfte des gesamten Umfangs aus – und steuert auch (noch) rund die Hälfte der Einnahmen bei. Es gab Zeiten, da war die Werbefläche wesentlich kleiner, spülte aber trotzdem bis zu zwei Drittel der Einnahmen in die Kasse. Wie es zu dieser Entwicklung kam und welche Folgen sie hat, habe ich in einem anderen Blogpost schon mal erläutert.

 

Die andere Hälfte der Fläche in der Zeitung ist die mit den Artikeln, dem «redaktionellen Inhalt». Und die meisten Menschen, die bei uns auf die Hauptnummer anrufen und «gerne ein Inserat melden» möchten, möchten in Tat und Wahrheit in diesen Teil der Zeitung. Sie möchten zum Beispiel, dass die Zeitung eine kurze Vorschau auf einen Chor-Abend, einen kurzen Bericht über eine Hauptversammlung, bei der ein Präsidium neu besetzt wurde oder einen Hinweis auf eine Neueröffnung eines Geschäfts publiziert.

 

Redaktion und Kommerz trennen

Der Schweizer Presserat empfiehlt, diese beiden Bereiche eines Mediums – den kommerziellen, wo Inhalte gegen Geld in Inseraten platziert werden können, und die Redaktion, wo unabhängige Journalistinnen und Journalisten ihre Berichte platzieren – strikt zu trennen. In den Protokollerklärungen zur «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» schreibt er: «Die Freiheit der redaktionellen Arbeit und deren Trennung vom kommerziellen Teil des Medienunternehmens ist durch eine klare Regelung der Kompetenzen zu gewährleisten.»

 

Der Hintergrund dieser Regelung ist naheliegend: Nur weil eine Theatergruppe ein bezahltes Inserat platziert hat, darf der Redaktion nicht die Freiheit genommen werden, zu schreiben, dass die Inszenierung schlecht ist, wenn sie das ist. Und nur weil Politiker XY mit seiner Firma Inserate in der Zeitung bucht, darf die Redaktion ihn deswegen nicht mit Samthandschuhen anfassen, wenn er in seinem Amt seine Arbeit nicht sauber macht.

 

Schindluderei mit der Publireportage

Nun gibt es im Print schon seit einer gefühlten Ewigkeit ein Zwischending zwischen Inserat und redaktionellem Bericht, das aber erst mit dem Aufkommen des Internets einen richtigen Aufschwung erlebt: Die Publireportage – oder in der Online-Welt meist «Paid Contnent», «Sponsored», «Paid Post» o.ä.. Sie weder Inserat noch redaktioneller Bericht. Aber es ist ein bezahlter Inhalt, dessen Inhalt ein Kunde in mehr oder weniger klaren Zügen vorgibt. Gestaltet ist er ähnlich wie der redaktionelle Teil, wobei der Presserat auch hier eigentlich klare Vorgaben machen würde. «Die deutliche Trennung zwischen redaktionellem Teil und Werbung bzw. bezahltem oder durch Dritte zur Verfügung gestelltem Inhalt ist für die Glaubwürdigkeit der Medien unabdingbar. Inserate, Werbesendungen und bezahlte oder durch Dritte zur Verfügung gestellte Inhalte sind gestalterisch von redaktionellen Beiträgen klar abzuheben», heisst es zum Beispiel in einer Beschwerde-Antwort aus dem Jahr 2021.

 

Die Formulierung mit «eigentlich» - und letztlich auch der verlinkte Presserats-Entscheid – zeigen, dass mit diesem Werbemittel immer mehr Schindluderei getrieben wird. Immer mehr Verlagshäuser verzichten – aus Geldnot? - darauf, bezahlte Inhalte deutlich und unübersehbar als solche zu kennzeichnen. Damit untergraben sie die journalistische Unabhängigkeit ihrer Redaktionen – aber sichern sich immerhin einen schönen Batzen in der Kasse. Wobei: Publireportagen oder Paid Posts sind in der Regel deutlich günstiger zu kriegen, als echte Inserate.

 

Am Ende bleibt die Frage: Wie komme ich in die Zeitung, wenn ich mir kein teures Inserat leisten kann (oder will), die Redaktion aber der Meinung ist, dass mein Thema zu wenig interessant ist, um eine Journalistin oder einen Journalisten darauf anzusetzen? Dann haben alle – und damit sind auch wirklich alle gemeint – die Möglichkeit, eine selbst verfasste Medienmitteilung an die Redaktion zu schicken. Hier gibt es eine Checkliste mit den 10 wichtigsten Punkten, die man beachten sollte, wenn man mit einer Redaktion in Kontakt treten möchte.

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